Blogeintrag 11.4.2021
Von Sciacca ging es noch einmal quer durch Sizilien Richtung Enna,
dem „Nabel“ Sziliens und dann an der Nordküste wieder Richtung Heimat.
In einem winzigen Dorf zur Kommune Enna gehörend standen wir in einer Umgebung, die genau so gut in der Toskana sein könnte.
Borgo Cascino heißt das Nest und außer ein paar kleinen Häusern, einer Kirche und einem Gasthaus, das gerade eifrig renoviert wird konnten wir nichts Interessantes finden.
Auch der einzige natürliche See Siziliens war nicht das, was wir uns von einem See erwarten würden. Von der Ferne sahen wir ein grünes Gebilde, dem wir uns aber nirgends nähern konnten.
Eine Rennstrecke trennte uns samt Zaun vom See. Ein paar verwegene Motorradfahrer zogen ihre Trainingsrunden. Also peilten wir Enna an um einen Rundumblick auf Sizilien zu erheischen. Wie nicht anders zu erwarten blies am Aussichtspunkt ein ordentliches Lüftchen und wir waren froh, uns den Ätna wieder aus dem Führerhaus anschauen zu können.
Die Autobahn brachte uns rasch an die Nordküste bei Cefalù, von wo aus wir uns die Nordseite der Insel auf der Bundesstraße noch genau zu Gemüte führten.
Eigentlich wollten wir ja noch bei Maria und Filippo stehen bleiben, sie waren aber nicht zu Hause, sondern 150 km weit weg.
So blieb es bei einem Telefonat und dem Versprechen in Kontakt zu bleiben und uns wieder zu sehen.
In San Giorgio blies zur Abwechslung wenig Wind, obwohl wir direkt am Strand parkten.
Ein flacher Platz neben einem Spielplatz und ein paar frechen Jungen, die auf unseren geplagten Big Fredi trommelten. Als Wilfried das untersagte, stellte sich ein rotzfrecher Bengel vor ihm auf und wollte mit ihm diskutieren. Wilfried ging nicht auf ihn ein, sondern wiederholte in forschem Ton, dass er das Geklopfe aufs Auto nicht will und die Bande zog ab.
Ansonsten sind wir der nächtlichen Ausgangssperre und der vermehrten Präsenz der Polizei sehr dankbar. Nächtliche betrunkene Jugendliche, die laute Musik neben einem machen, sind nirgens zu sehen. Sie treffen sich zwar untertags, palawern laut und gestikulierend, lachen viel. Zum Glück haben sie trotz Corona noch etwas zu lachen. Wir treffen auf wenige Sizilianer, die Sprachbarriere ist vielen zu mühsam. Mein Italienisch ist noch zu mager, obwohl ich so gerne mit Einheimischen reden würde.
Aber dann kam der 9.4.2021, ein Datum, das wir so schnell nicht vergessen werden.
Die Fahrt entlang der Küste auf der Bundesstraße SS113 war anfangs sehr interessant, weil hügelig und ohne viel Verkehr.
Oft konnte man das Meer sehen. Aber nach vielen Kurven mehrten sich die Ortschaften, die es zu durchfahren galt und diese wurden auch immer enger.
In Salice Messina – einem kleinen Gebirgsdorf schon im Landesinneren Richtung Messina – passiert es dann.
Der entgegenkommende Fahrer drängt uns an die äußerste Straßenseite, die aber einen zu niedrigen Balkon für unseren Big Fredi hat. Er fädelt mit der Markise in die Klimaanlage und den Balkon ein und sitzt fest.
Die Hausbesitzerin – Stella – ist erst durch den Nachbarn zu beruhigen und auch die Polizei wird gerufen. Die Verständigung ist äußerst schwierig, mein Italienisch zu dürftig und das Englisch sämtlicher Italiener – nein Sizilianer – ist nicht existent. Eine der Mütter, die gerade auf ihre Kinder warten, legt uns ihren Sohn and Herz, der aus YouTube Videos perfekt englisch gelernt hat. Die Polizei organisiert die Feuerwehr und dann wird die Straße – die einzige Verkehrsader des Dorfes abgeriegelt. Big Fredi lehnt an der Hausmauer und rührt sich nicht. Alle außer Wilfried sind ziemlich planlos. Er demontiert die kaputte Markise in Einzelteilen und möchte versuchen ein Stück nach hinten zu fahren, um unter dem Balkon wieder frei zu kommen.
Da kommt plötzlich ein Möchtegernmechaniker des Weges und lässt aus den beiden Hinterreifen unaufgefordert die Luft komplett heraus. Als er auch noch seinen Jeep an Big Fredi hängen will und ihn brutal herausreißen will, wehren wir uns heftig.
So, jetzt ist keine Luft mehr in den Reifen und die Feuerwehr hat auch kein geeignetes Gerät um zu helfen. Schließlich gelingt es mit Hilfe der Differenzialsperre und vielen Versuchen unter dem Balkon wieder frei zu kommen.
Zur selben Zeit fand nebenan ein Begräbnis statt und eine große Menge Schaulustiger gab ihre Kommentare zu dem ganzen Geschehen ab.
War sicher spannender als ein Fernsehkrimi. Nach gut 3 Stunden wurde die Fahrbahn wieder freigegeben. Stella, die Hausbesitzerin hatte sich nicht nur beruhigt, sondern brachte uns viel Empathie entgegen. Die Daten für die Versicherung wurden ausgetauscht und wir konnten die Nacht 500 Meter weiter auf einem kleinen Parkplatz vor der Lourdgrotte verbringen. Stella kam sogar noch vorbei um uns ihre Hilfe anzubieten, falls wir etwas benötigen.
Für den Tag danach gab es noch viel zu tun. Die Differenzialsperre ließ sich nicht mehr entriegeln und die Abwassertonne, die der Feuerwehr hinderlich war, musste wieder montiert werden. Außerdem war die Markise zu entsorgen. Der Mechanikermeister aus der Werkstatt, der auch die Reifen wieder ordentlich aufgepumpt hatte, erklärte sich bereit, die Teile der Markise zu entsorgen, die kaputt waren. Was es zu retten gab, packten wir ein.
Wilfried gelang es, die Differenzialsperre wieder zu reparieren. Diese ließ sich nicht mehr entriegeln und so hätten wir auf keinen Fall weiter fahren können.
Außer einer Delle am Dach und an der Seite der Wohnkabine waren keine gravierenden Schäden mehr. Technisch war wieder alles ok.
Wir wollten den vom Mechaniker empfohlenen Parkplatz für die nächste Nacht ein paar Kilometer weiter aufsuchen. Als uns dort starke Windböen empfingen, entschieden wir vorerst weiter nach dem nächsten Schlafplatz zu suchen, als wir auch schon in Messina und auf dem richtigen Weg zur Fähre waren. Also beschlossen wir doch noch am selben Tag überzusetzen.
Es war zwar windiger aber noch nicht stürmisch. Trotzdem gingen bei einigen PKWs die Alarmanlagen nacheinander an, was ein gruseliges Gefühl auslöste.
Ich zumindest war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Die erste Nacht blieben wir noch in Villa San Giovanni am Strand. Wir waren das einzige Wohnmobil, so wie immer.